Das Dreieck

Es klebt auf Autos, Heften und Einladungen. Es prangt an Vereinshäusern. Und es wohnt in
zahlreichen Herzen: das rote Dreieck des CVJM. Was hat es damit auf sich? Wie fordert uns „das
Dreieck“ heraus?

 

Das Dreieck

 

Gott fragt: „Adam, wo bist du?“ - Das ist keine schlichte Frage nach dem gegenwärtigen
Aufenthaltsort des Adam. Die Frage des Schöpfers gilt dem Menschen, der sich grundlegend von
seiner Identität entfernt hat. „Wo bist du, mit deinem Einverständnis, hingeraten?“ Der Mensch
kann ohne die Beziehung zu Gott nicht erfüllt leben. Er verfehlt seine Bestimmung. Er lebt am
Leben vorbei. Darum ist die Frage Gottes herausfordernd. Das Geschöpf hat seinem Schöpfer
Antwort zu geben. Die Antwort ist eine Lebensaufgabe und fordert den ganzen Menschen.
Er antwortet mit Leib und Geist und Seele.

 

Er muss sich fragen: „Wer bin ich? - Wer bin ich im Lichte Gottes?“ Diese radikale Frage spart
wirklich keinen Bereich unsres Lebens aus. Zu antworten hat der ganze Mensch.
Natürlich hat auch eine gewisse Einteilung einen Sinn, damit deutlich wird, was gerade
angesprochen wird, welche Funktion tätig ist. Aber nirgendwo in der Heiligen Schrift erfolgt eine
Selektion im Sinne einer Rangfolge von Seele, Geist und Leib. Die Zusammenschau ist
durchgängiges Prinzip.

 

Die Bibel vesteht den Menschen nur von der Existenz Gottes her. Die Urteile Gottes über den
Menschen gelten dem ganzen Menschen: „Böse von Jugend auf.“ Viel mehr aber ist er zu Neuem
berufen, zur Nachfolge herausgefordert. Und das nicht nur in einem geistigen Sinn. Der Mensch
tritt ganz und gar in die Nachfolge. Es gibt keinen Rest.

 

Warum nur tritt in der Geschichte der Nachfolge des Jesus Christus oft das so fatal auseinander, was
nach der Schrift so untrennbar zusammen gehört?

 

Es waren Geistesblitze in der Bewegung des Volkes Gottes, als das Dreieck dem Inhalt und der
Form nach gefunden wurden. Leib, Seele und Geist; dem ganzen Menschen, dem ganzen jungen
Menschen gilt die Zuwendung des allmächtigen Gottes und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Gott fordert den schwachen und den starken, den jungen und den alten, den schlichten und den hoch
intelligenten Menschen heraus. Er erwartet eine Antwort, die er als der Schöpfer mit Recht erwarten
darf. Diese Antwort muss der ganze Mensch geben.

 

Die CVJM-Bewegung befindet sich also mit ihrer ganzheitlichen Sicht des Menschen auf sicherem
biblischen Boden. In einer Gesellschaft, die die Religion gern zu einer Privatsache machen möchte,
in Gesellschaften, die Christ sein gern allein auf das Geistige reduzieren möchten, stellt der CVJM
mit anderen Kirchen und Gemeinden klar, dass Gott alle Bereiche des menschlichen Lebens
durchdringt und das Evangelium alles in eine neues Licht stellt. Die Attraktivität des CVJM
weltweit basiert zu einem guten Teil auf dieser Sichtweise des jungen Menschen.

 

Allerdings: Kritisch muss sich unsere Bewegung fragen, wo auch bei ihr Vereinseitigungen,
vielleicht ganz unauffällig, Platz gegriffen haben. Das Beste in ihr ist Jesus. Das hat sich
unübersehbar bemerkbar zu machen in allen Bereichen der Arbeit.

 

Wer meint, wir seien in der ganzheitlichen Sicht des Menschen ein gutes Stück in den vergangenen
Jahren voran gekommen, irrt nicht. Allerdings ist genau so unübersehbar, dass vieles zu tun bleibt.
Und neue Herausforderungen tauchen auf. Die Globalisierung, die Anforderungen an Mobilität und
Flexibilität, die Gesellschaft der Beziehungskrisen, des Internets und der fehlenden Maßstäbe
erzeugen bisher wenig oder gar nicht gekannte Probleme. Dabei bleiben die Sehnsüchte. Und die
Suche nach Gott.

 

Welche Herausforderungen im Zeichen des Dreiecks sind auszumachen?

 

Ich beginne mit der Schule. Das alles überragende Kriterium für Erfolg in diesem Bereich scheint
PISA zu sein. Mit unserer Schuljugendarbeit sind wir weder Ergänzung noch Gegensatz, sondern
sind im Zentrum der Bemühungen um die heutige Schul-Generation. Mit dieser Sicht engagieren
wir uns mit in den Schulen, dem immer mehr sich ausdehnendem Lebensraum von Kindern und
Jugendlichen. Ich ermutige ganz ausdrücklich unsere Vereine, sich zu beteiligen, in welcher Art und
Weise auch immer. Gott schenkt uns offensichtlich in diesem Bereich besonders weit geöffnete
Türen. Eine wichtige Orientierung für diesen Bereich ist das vor kurzem erarbeitete
Bildungsverständnis des CVJM.

 

Die Berufswelt der Jugendlichen geriet uns aus dem Blick. Beteiligung bei der Installierung von
Lehrstellen kam kaum noch vor, allenfalls bei der Begleitung von schwierigen Jugendlichen.
Pack´s – war überfällig! Gut, dass wir die Arbeitswelt von Jugendlichen in unserem Weltdienst stets
im Blick hatten. Gut, dass wir die Arbeitswelt von deutschen Jugendlichen wieder in den Blick
bekommen.

 

So vielfältig und unterschiedlich waren die Orte schon lange nicht mehr, an denen „Zwei oder Drei
in seinem Namen zusammen sind“. - Sporthallen und Schulen, Gemeindehäuser und Kirchen,
Krankenhäuser und Seniorenheime, Wohnungen und offene Jugendclubs ... Mir fehlen noch die
Marktplätze und die Arbeitsplätze in unserem Land. Wir dürfen sie nicht den Sondergemeinschaften
und Psychosekten und den Börsen und Gewinnmaximierern überlassen. Was kann unsere
Bewegung für diese Aufgabe tun?

 

Betätigt sich der CVJM auch als Interessenvertreter für junge Leute gegenüber Staat und Kirche
und älterer Generation? Die Bilanz fällt wohl eher mager aus. Natürlich ist eine gute Jugendarbeit
vor Ort die beste Art und Weise der Vertretung der Interessen. Trotzdem könnte manches mehr
riskiert werden, wenn es um die Interessen der Kinder und Jugendlichen in Stadt und
Land geht.

 

Sind Jugendliche ausreichend Akteure in unserer Bewegung, wenn es um die
Entscheidungsgremien geht? Selbstverständlich soll das Wesentlichste und Wichtigste, die Mitarbeit
im Sport, in der Jungschar, im Schulclub, in der Jungen Gemeinde bleiben. Trotzdem bleibt die
Frage wichtig, wie intensiv wir Jugendliche auf die zukünftige Verantwortungsübernahme in
Vorständen, Beiräten und Arbeitskreisen vorbereiten. Geben Ältere gern und zum richtigen
Zeitpunkt Leitung ab? Wagen wir es, rechtzeitig den Staffelstab weiter zu geben?
Und das noch: Kommen „Leib, Seele und Geist“ einigermaßen ausgewogen in unseren
Programmen vor?

 

Unsere Kraft erscheint uns oft klein. Aber wir können das Richtige tun! Gottes Geist möchte uns
auch im CVJM in alle Wahrheit führen. Dann wächst, von uns vielleicht gar nicht bemerkt, das
Reich unseres Meisters, dem in unserer Arbeit alle Ehre gelten soll.

 

Thomas Brendel

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