Wie können Christen die Welt verändern II - Wirtschaft ohne Wachstum

[Dieser Artikel wird im CVJM Magazin 04/14 erscheinen. Wer den Artikel Wie Christen die Welt verändern noch nicht gelesen hat, sollte dies vielleicht zuerst tun.]

In diesem Artikel möchte ich einmal etwas genauer auf die Systemkrise I eingehen. Wer den ersten Artikel „Wie können Christen die Welt verändern“ nicht gelesen hat sollte nochmal das CVJM Magazin 03/2014 in die Hand nehmen oder es sich als PDF von unserer Homepage herunterladen. Wie in dem Artikel bereits erwähnt, sind die Ressourcen mit denen unserer Wirtschaftssystem versucht unsere Wohlstandmaschine von der menschlichen Arbeitskraft zu entkoppeln sehr endlich und mit großer Wahrscheinlichkeit früher oder später erschöpft. (Buchempfehlung: Peak Everything – Richard Heinberg – ISBN 978-0865716452). In der Natur gibt kein anhaltendes Wachstum. Zu Beginn eines Lebenszyklus wachsen natürliche Organismen (Menschen, Tiere, Pflanzen) meist sehr schnell, doch dann endet das quantitative Wachstum (Kurve a). Der Organismus ist ausgewachsen. Ein anhaltendes lineares Wachstum (Kurve b) oder gar ein exponentielles Wachstum (Kurve c) ist schlichtweg nicht möglich.

Trotzdem setzt Politik und Wirtschaft weiterhin auf Wachstum. Woher kommt dieser Wachstumszwang? Nico Paech beschreibt in seinem Buch (Befreiung vom Überfluss – Nico Paech – ISBN 978-3865811813) die Wachstumszwänge als Folge der zunehmenden Spezialisierung. Durch die damit verbundene Arbeitsteilung und immer länger werdenden Produktionsketten werden immer mehr Vorinvestitionen benötigt. Diese müssen aus Eigenkapital oder Krediten finanziert werden. So das man letztendlich sagen kann, dass der Zwang zu exponentiellen Wachstum aus dem Zinseszins-System der Geldwirtschaft kommt. Um aus diesen Zwängen ausbrechen zu können müssen die Produktionsketten wieder verkürzt werden. Er beschreibt sein Modell einer Postwachstumsökonomie in fünf Schritten.

Schritt 1: Suffizienz – die Befreiung vom Überfluss

Unsere wachstumsorientierte Wirtschaft ist aufgrund der ihr innewohnenden Zwänge ständig bemüht den Konsum zu maximieren. Statistische Erhebungen haben ergeben, dass ein durchschnittlicher Deutscher im Moment ca. 10.000 Gegenstände sein eigen nennt. Jedes Konsumgut braucht, um tatsächlichen Nutzen zu bringen, Zeit. Was von dem, was wir kaufen und besitzen, brauchen wir wirklich und könnten wir nicht viel mehr Dinge mit anderen teilen, wenn wir mehr Zeit hätten. Wie oft brauche ich mein Werkzeug im Keller wirklich. Und wie viele Stunden liegt es ungenutzt im Keller. Wäre es nicht viel effektiver, sich die Sachen mit Leuten aus dem Haus zu teilen. Wie viel weniger müsste ich Geld verdienen, wenn ich nicht so viel Besitz anhäufen würde. Ah! - da schließt sich der Kreis aus Besitz und Zeit.

Es geht also darum, zu überlegen, was brauche ich wirklich und was brauche ich als mein persönliches Eigentum. Vermehrte Gemeinschaftsnutzung von Dingen geht mit Entschleunigung unseres Lebensstils einher, denn nur wenn ich genug Zeit habe um Dinge zu erledigen kann ich auf das direkt zur Verfügung stehen der Arbeitsmittel auch gut verzichten.

Schritt 2: Subsistenz – entkommerzialisierte Selbstversorgung

Hier ist nicht nur die Selbstversorgung mit Lebensmitteln durch eigenen gärtnerischen Anbau gemeint sondern auch die Nutzungsverlängerung von Produkten durch sorgsamen Gebrauch und Reparatur. Wenn es durch Pflege und Reparatur gelingt, die Lebensdauer von Produkten zu verdoppeln, müssen nur halb so viele Produkte hergestellt und verkonsumiert werden. Ein gutes Beispiel geben hier Tauschringe und Repair Cafés (Info unter www.repaircafe.org). Hier schließen sich Menschen zusammen um die Nutzungsdauer von Konsumgegenständen zu verlängern.

Schritt 3: De-Globalisierung

Eine Rückbesinnung auf die Region als das eigene Umfeld kann helfen, überlange Versorgungsketten und den damit verbundenen Wachstumszwang sowie die immense Energieverschwendung auf Transportwegen zu vermeiden. Für uns als Familie war das Abonnement einer regionalen Gemüsekiste ein erster Schritt, wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, was wann bei uns wächst und zur Ernährung zur Verfügung steht. Regionalwährungen könnten hier zusätzlich hilfreich sein, um zu erleichtern, dass Geld in der Region bleibt. Die meisten Regionalwährungen setzen statt Zins auf eine Umlaufsicherung, um dafür zu sorgen, dass das Geld in Bewegung bleibt. Das bedeutet, dass Geld, das nicht in Bewegung ist, mit der Zeit an Wert verliert. Für die meisten Menschen würde das finanzielle Vorteile bringen, da der Zinsanteil in erworbenen Produkten dafür wegfällt. In der Regel sind in unseren Preisen nämlich ca. 30% Sollzinsen enthalten die in der Produktionskette anfallen und an den Konsumenten weitergereicht werden. (Auf www.wo-ist-unser-geld.de wird das in 6 Min. sehr gut erklärt)

Schritt 4: Optimierung der verbleibenden globalen Wertschöpfungsketten

Mit Recht werden manche einwenden, dass sich nicht alle Produkte regional herstellen lassen. Dinge wie Handys, Computer ... werden wie bisher in globalen Produktionsketten produziert werden müssen. Hier müssen wir lernen, Dinge so schlau zu bauen, dass ein Kreislauf und weitestgehend ein stoffliches Nullsummenspiel entsteht.

Schritt 5: Handelbare CO2-Kontingente, Geld- und Bodenreform

Zu diesen Punkten bin ich bisher am wenigsten aussagekräftig. Klar ist eins. Wohlstand muss gerechter verteilt werden. Bisher wurde durch Wirtschaftswachstum versucht, Wohlstand für die breite Masse zu erzeugen ohne den Wohlhabenderen etwas wegzunehmen. Tatsächlich wird durch die bisherigen Systeme aber eine Umverteilung nach oben betrieben. Das muss sich ändern, um einem Kollaps des Systems vorzugreifen.

Was bedeutet eine Postwachstumsökonomie für die Jugendarbeit?

Im Moment versuche ich mit einer kleinen Gruppe von Jugendlichen ein Netzwerk zu gründen. Eine Selbsthilfegruppe für Weltverbesserer, wie ich es nenne.
LoCAN – Local Change Agend Network. Ein lokales Netzwerk, das die Welt im Kleinen verändern will. Menschen, die anfangen wollen über Veränderung nachzudenken und diese zu leben. Wir werden uns das nächste Mal bei der Brotzeit am 12. September live treffen und stehen ansonsten per Internet in Verbindung. Wer dabei sein will ist herzlich willkommen und kann sich bei mir unter markus.hacker(at)cvjm-schlesien.de  melden.

In Zukunft wird es auch darum gehen, mit Haupt- und Ehrenamtlichen über die Veränderung in den Bedürfnisfeldern Wohnraum, Mobilität und Ernährung nachzudenken und was das für die zukünftige Jugendarbeit bedeutet.